Henning Pertiet Trio - Boogie Woogie and Blues Variety
produced by Henning Pertiet for STYX Records, Vienna / Austria (STYX CD 1015)

1. Blue Scent Boogie   3:20
2. Perdido   1:55
3. Honky Tonk Train Blues   3:29
4. Blues Flakes   4:04
5. Boogie De Funk   2:28
6. Blazeaway   5:34
7. Abdullah's Blues   3:40
8. Boogie For You   2:15
9. DD Dreaming   4:10
10.The Fives   3:09
11. Ein Lied   2:56
12. Well You Needn't / In Walked Bud   3:39
13. Vince Blues   3:50
14. Pinetop's Boogie   5:06
15. Variations On A Dream   3:40
     

Trax 1 - 5, 8, 12, 14 > Henning Pertiet - piano, Ralf Jackowski - drums, Moritz Zopf
Trax 6, 9 - 13 > Henning Pertiet - piano, Ralf Jackowski - drums
Trax 7, 1 > Henning Pertiet - Solopiano


Texte zur CD

1. Booklet-Notes by Axel Zwingenberger
2. CD-Kritiken

Booklet-Notes by Axel Zwingenberger

Blues ist eine so erdige und unmittelbare Ausdrucksform, dass sich seit (in heutigen musikalischen Halbwertszeiten gemessen) Urzeiten dafür empfängliche Musiker und ihr Publikum ihrer Faszination nicht entziehen können. Wen der Blues in Besitz genommen hat, den lässt er ein Leben lang nicht mehr los.

Henning Pertiet ist einer dieser vom Blues Besessenen. Dessen Tiefe zu erfassen, braucht es Talent – und das hatte Henning schon am ersten Tag, als ich ihn kennen lernte. Man braucht Talent – und dann eine enorme Disziplin, um aus diesen ersten, rudimentären Ansätzen, die man in sich verspürt, wirklich anhörbare Musik zu erarbeiten.

Diese Disziplin hat Henning Pertiet ohne Zweifel aufgebracht, und geholfen haben ihm die Solobühnen, seine Lehrzeit als Mitglied der großartigen Mojo Blues Band, seine Partnerschaft mit Blues-Schlagzeuger Micha Maass und viele Begegnungen mit so mancher noch aktiven Blueslegende, auch aus den USA.

Auf dieser CD hören wir Henning Pertiet gemeinsam mit Ralf Jackowski am Schlagzeug und Moritz Zopf am Bass swingen. Swingen und Blues gehören zusammen, auch wenn dieses Gefühl heute manchmal unter stampfendem Elektroschrott zu verschwinden droht.

Zu Zeiten, als der Swing den Takt des Tages angab, in den dreißiger und vierziger Jahren in den USA (und hierzulande dank nazistischer Kulturbarbarei erst nach 1945), gelangte die swingendste Bluesform zur Hochblüte: der Boogie Woogie, mit dem auch das Piano in den Mittelpunkt des Bluesgeschehens rückte.

Denn neben erdiger Gefühlstiefe gibt es noch ein anderes Suchtpotential im Boogie Woogie: den unbändigen Drive, geboren aus rollenden Rhythmen, die wiederum einen besonders intensiven Swing erzeugen.

Waren Klaviergiganten wie Meade Lux Lewis, Albert Ammons oder Pete Johnson die Protagonisten der kraftvollsten Boogie Woogie-Spielart, so entwickelten Virtuosen wie Jay McShann, Lloyd Glenn und andere einen Groove von swingender Eleganz, ohne das Feld authentischen Blues-Spiels zu verlassen.

In diesen musikalischen Gefilden bewegt sich Henning Pertiet in vielen der hier zu hörenden Stücke. Der Honky Tonk Train Blues, das wuchtige Paradestück von Meade Lux Lewis, wird von Henning im leicht flüssigen Stil von Lloyd Glenn interpretiert, dafür kommt im Gegenzug der von seinem Komponisten, dem Boogie-Pionier Clarence Pine Top Smith, mit leichterem Touch gespielte Pinetop´s Boogie Woogie in heftiger Attacke á la Lewis daher. So etwas verrät den Spezialisten am Boogie-Klavier.

Überhaupt habe ich naturgemäß besonders große Freude an den Stücken, die im Blues- und Boogie-Gedanken fest verwurzelt sind. Der große Jay McShann, Anno 2005 als einer der allerletzten Großmeister aus den wilden Kansas City-Tagen der dreißiger Jahre noch aktiv, stand hörbar Pate bei Hennings Opening Boogie und Boogie For You – keine ganz alltägliche Wahl für einen heutigen Boogie Woogie-Interpreten.

Jay McShann und seine Musik standen übrigens mit am Beginn der Jazzrevolution der vierziger Jahre, von der Swing-Ära hin zum Be-Bop und damit zum modernen Jazz. Einer der größten Revolutionäre der Jazzgeschichte, Charlie Parker, machte seine ersten Schallplattenaufnahmen als Mitglied des Orchesters von Jay McShann – und es waren Blues- und Boogie-Stücke.

Blues und Boogie Woogie boten damals mit ihrer abstrakten Struktur, abseits vom festgelegten Jazz-Standardmaterial, den ersten Be-Boppern ein reiches Experimentierfeld. Eine der berühmtesten Kompositionen von Thelonius Monk, Blue Monk, basiert auf einem der ältesten Piano-Bluesthemen.

Die Klangwelt von Be-Bop und späteren Stilen fasziniert auch Henning Pertiet, wie man unter anderem in Boogie De Funk oder Abdullahs Blues hören kann. Wie man sieht, keine unlogische Entwicklung. Bass und Schlagzeug ebnen die Wege zu Perdido, und ausgehend von sensibel gespielten Bluesklängen wie in Blues Flakes wagt sich Henning bis auf´s Feld der Ballade.

Henning Pertiet gehört heute zu den gestandenen Klavier-Blueskünstlern, die die europäische Musikszene so bereichern. Mit Vince Blues, gewidmet unserem Freund und (in Deutschland) Blues-Pionier Vince Weber, bekennt er sich zu dieser Tradition – eine Tradition, die hoffentlich noch viele weitere Musiker hervorbringen wird, für die Blues nicht einfach nur ein Harmonieschema und eine schräge Tonskala bedeutet, sondern die für sie intensivste musikalische Ausdruckswelt.

Axel Zwingenberger

 

CD-Kritiken

1. Concerto-Magazin (Österreich)

Eine ausgezeichnete Blues- und Boogie-Formation aus Deutschland mit Moritz Zopf, Bass, Ralf Jackowski, Schlagzeug und Henning Pertiet am Piano.
Es ist verblüffend, dass es Deutschland immer wieder gelingt, derart hervorragende Pianisten hervorzubringen.
Auch Henning Pertiet hat den Blues im Blut, kann aber auch gleichzeitig richtig gut swingen.
Seine Zusammenarbeit mit Micha Maass am Schlagzeug, oder aber mit der Mojo Blues Band, haben ihn geprägt, seinem Vorbild Vince Weber widmete er den Vince Blues.
Egal ob Blues ins balladenhafte abgleitend, wie auf Blues Flakes oder Boogie, wie Boogie For You, Pertiet überzeugt und es fällt gar nicht groß ins Gewicht, dass es eine ausschließliche Instrumental-CD ist.

 

2. BluesNews-Magazin

Über Henning Pertiets Schaffen wurde an dieser Stelle schon öfters berichtet. Mit Superlativen wurde nicht gegeizt, denn der Pianist aus dem Niedersächsischen Verden hat wie kaum ein anderer in Deutschland eine eigene Art des Spiels entwickelt. Das führte bisher leider nicht dazu, dass Pertiet den ihm gebührenden Platz in der Europäischen Musikszene bekam. Der Gründe sind sicherlich viele, aber wenn es einen weiteren Anschub braucht, dann liefert Pertiet ihn hier mit seinen Kollegen Moritz Zopf (Bass) und Ralf Jackowski (Schlagzeug) einfach selber. Auf fünfzehn großartigen Nummern bewegen die drei Herren sich mal leicht-beschwingt, mal kraftvoll-schwer auf dem weiten Feld des Blues, Boogie-Woogie und Artverwandentem. Pertiet spielt dabei immer mit einer technischen Selbstverständlichkeit, die es ihm erlaubt, interpretatorisch große Kunst entstehen zu lassen. Bei Duke Ellingtons “Perdido” scheint die linke Hand mit einer Leichtigkeit über die Tasten zu hüpfen, die an die großen Momente der Stummfilmmusik erinnert. Überhaupt der Film: Pertiet und seine Leute verstehen es, auch abseits ausgetretener Bluespfade Musik zu machen, die ganze Bilderwelten entstehen läßt. Das hat durchaus was von Filmscores. Die zehn Eigenkompositionen sind allesamt besonders und wundervoll. Und weil Henning Pertiet glaubt, nicht singen zu können, läßt er weise den Gesang weg und die Musik sprechen. Hören wir ihr einfach zu, denn es ist bereichernd. (ThR)